Hintergrund:
Derzeit steht das Thema „Insektensterben“ im besonderen Fokus der Öffentlichkeit.
Der dramatische Rückgang der Zahl von Insekten wird als besonders problematisch angesehen, da Insekten vielen anderen Wildtieren als Nahrung dienen. Zahlreiche Arten von Amphibien, Vögeln und Fledermäusen sind auf Insekten angewiesen, sodass deren Rückgang auch viele andere Arten in ihrem Bestand gefährdet. Zudem ist die Bestäubung durch Insekten für viele Pflanzen, darunter zahlreiche Nutzpflanzen, unverzichtbar.
Es ist eine dringliche gesellschaftliche Aufgabe, schnellstmöglich auf den dramatischen Rückgang zu reagieren in dem man die noch vorhandenen Lebensräume schützt und zusätzliche Nahrungsangebote für Insekten in der Agrarlandschaft, auf öffentlichen Flächen und in privaten Gärten zu schaffen.
Insektenkartierungen im Umweltzentrum:
Nach den Fledermäusen und den Vögeln wurden im Umweltzentrum in den letzten beiden Jahren schwerpunktmäßig Kartierungsarbeiten der Insektenfauna durchgeführt. Ziel war es, sich ein möglichst genaues Bild über den Bestand im Bereich der Heerser Mühle zu verschaffen.
Auch vor dem Hintergrund des geplanten Neubaus der B-239 durch das Gelände der Heerser Mühle ist es entscheidend, möglichst genaue Informationen über die Flora und Fauna zu erhalten. Da dies naturgemäß nicht mit einigen kurzen Begehungen im Kalenderjahr möglich sein kann (dies ist eine Kritik an der behördlichen Vorgehensweise), müssen umfangreiche, professionelle und langjährige Kartierungsarbeiten durchgeführt werden.
Dafür ist es uns gelungen, einen der bekanntesten und profiliertesten Insektenforscher aus Ostwestfalen Lippe, Hans Dudler, zu gewinnen. Hans Dudler, NABU Mitglied aus Leopoldshöhe und Mitautor der umfangreichen Standartwerke über die Schmetterlingsfauna in Ostwestfalen-Lippe, erforscht seit über 40 Jahren die Insektenwelt in seiner Heimat. Das bei den Kartierungen in den Jahren 2018 und insbesondere 2019 festgestellte Artenspektrum dokumentiert nachdrücklich den im Bereich des Umweltzentrums mit den hier vorzufindenden sehr heterogenen Biotopstrukturen vorhandenen Bestand von teils hoch spezialisierten und auch überregional gefährdeten Falterarten. Das Projekt wurde dankenswerterweise von der Adolf Deppe Stiftung finanziert.
Die jetzt als Bericht vorliegenden Ergebnisse unterstreichen die herausragende Wichtigkeit und Bedeutung des Geländes rund um die Heerser Mühle unter anderem als Trittsteinbiotop und Rückzugsgebiet.
Download: Schmetterlinge Heerser Muehle Tabelle 2019 Hans Dudler
Download: Heerser Muehle Kart. 2019 Hans Dudler
Interview mit dem lippischen Entomologen Hans Dudler:
Hans Dudler, geb. 1957 in Leopoldshöhe, derzeit wohnhaft in Augustdorf. Langjährig aktiv (auch Vorstand) bei den Westfälischen Entomologen, Bielefeld (seit 1974), den Rheinisch-Westfälischen Lepidopterologen, Düsseldorf und dem NABU-Kreisverband Lippe.
Durch den dramatischen Artenrückgang in den letzten Jahren sind sie derzeit das Thema: Insekten. Lieber Hans, erzähl doch mal wie es dazu kam, dass ausgerechnet unsere Insektenwelt Dich dermaßen interessiert und begeistert?
Hans Dudler: „Das war damals in der weiterführenden Schule. Dort standen in den Pausen immer zwei Mitschüler und redeten über „menthastri“ oder „urticae“ usw. Erst später habe ich dann erfahren, dass es sich um Schmetterlinge handelte. Schon war das Interesse geweckt.“
Du verfügst über ein wirklich außergewöhnliches Fachwissen, wie kannst Du Dir bloß all die wissenschaftlichen Namen merken?
„Das ist im Grunde ganz einfach. Man muss halt zusätzlich zu den deutschen Namen auch die anderen lernen. Im Laufe der Zeit geht das dann wie von selbst.“
Mal ehrlich, in einer Nacht nach zahllosen Stunden und ebensolchen Mückenstichen: hast Du Dir da nicht auch schon mal gewünscht Ornithologe oder besser noch Briefmarkensammler geworden zu sein?
„Das ist schon oft vorgekommen. Nicht nur die Mücken – auch so manches Mal zog ein Unwetter beim Lichtfang auf. Das führte dann nicht selten dazu, dass die ganze Leuchtanlage im Gewittersturm wegschwamm.“
Im Rahmen des Projektes kartierst Du die Insektenwelt im Umweltzentrum. Wie gehst Du dabei vor?
„Am Tage geht man durch die unterschiedlichen Bereiche und schaut besonders auf die blütenbesuchenden Insekten. Aufwendiger sind die Nachtkartierungen. Dazu baue ich eine mobile Lichtanlage mit Misch- und Schwarzlicht auf. Oder, speziell für die Nachtfalter, werden sogenannte Köderschnüre, die mit Rotwein getränkt worden sind, in die Vegetation aufgehängt. Dann werden die ankommenden Tiere bestimmt und gezählt.“
Hast Du in diesem Jahr schon Besonderheiten feststellen können?
„Durchaus! Neben mehreren „Rote Liste-Arten“, d. h. landesweit bestandsgefährdeten Arten, auch eine sehr bemerkenswerte Langhornmotte (Familie: Adelidae), die erst letztes Jahr zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen wurde.“
Anhand der hier festgestellten Arten: Wie bewertest Du den Lebensraum hier rund um die Heerser Mühle?
„Durch die Vielfalt der hier vorhandenen Biotop- und Habitatstrukturen kommt dem Gebiet hohe Bedeutung für viele Tierarten sowohl als Refugium (= Rückzugsort) wie auch als „Trittstein-Biotop“ zu. Wie schon jetzt deutlich wird, finden sich im Bereich der Heerser Mühle Artvorkommen von überregionaler Bedeutung.“
Vielen Dank und Alles Gute für Dich und Deine Arbeit.
Das Interview führte Ulrich Kaminsky.
Hinweis: Im Anhang finden Interessierte den umfangreichen Bericht und die Ergebnisse der Kartierungsarbeiten.